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Sehen lernen: Visuelles Vokabular und die eigene Handschrift

Sehen lernen:
Vom visuellen Vokabular und der eigenen Handschrift

„Aber dann mach ich ja deine Bilder!“ Diesen Satz höre ich als Kursleiter immer wieder, wenn ich meinen Teilnehmern bestimmte Bildausschnitte oder Kompositionsregeln vorschlage. Ich verstehe die Bedenken, aber natürlich geht es nicht darum, meine Fotos zu kopieren. Es geht darum, das eigene visuelle Vokabular zu erweitern und die eigene „fotografische Handschrift“ zu entwickeln.

Visuelles Vokabular

Was meine ich damit? Stellen wir uns die Fotografie doch mal wie eine Sprache vor. Jedes Foto, das wir sehen, jedes Buch, das wir über Fotografie lesen, jeder Tipp, den wir bekommen, erweitert unseren „Wortschatz“ – unser visuelles Vokabular. Wir lernen neue „Wörter“ kennen: Perspektiven, Bildausschnitte, Lichtführung, Farbkombinationen. Je größer unser Vokabular, desto besser können wir uns ausdrücken, desto nuancierter und vielseitiger werden unsere Bilder.

Genauso wie ein Schriftsteller durch das Lesen anderer Autoren seinen Stil verfeinert, entwickelt ein Fotograf seinen Blick durch die Auseinandersetzung mit den Werken anderer Fotografen. Ich erinnere mich noch gut daran, wie ich von Fred Maroon, (jahrelang der Chefreporter des Weißen Hauses) lernen durfte, wie er mit Weitwinkelobjektiven neue Perspektiven aufzeigte, wie man mit Dynamik und gekonnter Weitwinkel-Perspektive Geschichten erzählen kann. 

Auch Franco Fontana, dessen abstrakte Farbkompositionen mich schon immer fasziniert haben, zählt zu meinem Bekanntenkreis. Er öffnete mir die Augen für das Spiel mit Farben und lehrte mich, Farbe noch besser als Gestaltungselement einzusetzen. 

Und Ernst Haas, ein Pionier der Farbfotografie, den ich ebenfalls persönlich kannte, beeindruckte mich nicht nur mit seinen Stierkampf-Bildern und der Einführung in die ICM-Fotografie, sondern auch mit seinen atmosphärischen Landschaftsaufnahmen. Er zeigte mir, wie man mit Licht und Schatten Stimmungen erzeugen kann und schenkte, ja; so seine Formulierung, mir dann einen Satz, den sicher jeder Seminarteilnehmer schon bei mir gehört hat: Die wichtigste Regel ist: Bring Ordnung in das visuelle Chaos.

Natürlich darf Ansel Adams in dieser Reihe nicht fehlen. Von ihm, dem Meister der Schwarzweißfotografie, den ich ebenfalls mehrmals treffen durfte, lernte ich die Bedeutung von präziser Belichtung und meisterhafter Dunkelkammerarbeit. Seine Landschaftsaufnahmen der amerikanischen Nationalparks sind bis heute eine Quelle der Inspiration für mich.

Habe ich diese Fotografen deshalb kopiert? Nein! Ich habe ihre Ideen aufgenommen, verinnerlicht und in meine eigene Bildsprache integriert. Jeder dieser Fotografen hat mir neue „Wörter“ beigebracht, die meinen fotografischen „Wortschatz“ bereichert haben.

Und jetzt bist du an der Reihe! Lass dich von den Werken anderer Fotografen inspirieren, aber versuche nicht, sie zu kopieren. Finde deine eigene Stimme! Entwickle deinen eigenen Stil, der deine Persönlichkeit und deine Sicht auf die Welt widerspiegelt.

Finde deine eigenen Sprache, verbessere dein visuelles Vokabular

Wie beim Erlernen einer Sprache braucht es auch in der Fotografie Übung und Geduld. Experimentiere mit verschiedenen Perspektiven, Bildausschnitten und Einstellungen. Spiele mit Licht und Schatten, mit Farben und Formen. Je mehr du übst, desto sicherer wirst du im Umgang mit der „Sprache der Fotografie“ und desto individueller wird deine eigene Bildsprache.

Und genau darum geht es letztendlich: Finde deine eigene Stimme! Entwickeln deinen eigenen Stil, der deine Persönlichkeit und deine Sicht auf die Welt widerspiegelt. Nutze die „Wörter“ anderer Fotografen, um deine eigenen „Geschichten“ zu erzählen.